"Es gibt ein großes und doch ganz alltägliches Geheimnis. Dieses Geheimnis ist die Zeit", heißt es in Michael Endes Märchen-Roman Momo. Über Zeit verfügen das Waisenkind Momo und ihre Freunde nach Belieben, bis jene merkwürdigen Agenten der "Zeit-Sparkasse" auftauchen und die Menschen mit fadenscheinigen Argumenten dazu überreden, Zeit zu sparen. Fortan verwandelt sich das beschauliche Miteinander in hektische Betriebsamkeit, wodurch keiner mehr Zeit für seine Freunde hat. Nur Meister Hora, der Verwalter der Zeit, kann das düstere Treiben der grauen Herren stoppen, aber dafür braucht er die Hilfe der kleinen Momo.
Michael Ende hat mit Momo ein ebenso faszinierendes wie erfolgreiches Kinderbuch geschrieben. Aber genauso wie bei seinen anderen beiden Erfolgsromanen Jim Knopf und die Wilde 13 und Die unendliche Geschichte ist das Märchen so fantasiereich und plastisch erzählt, dass man bei einer Verfilmung automatisch um den Verlust dieser literarischen Intensität bangt. Darum wird Johannes Schaaf wohl gewusst haben, als er 1986 Momos Kampf gegen die Zigarren rauchenden Zeitdiebe verfilmte. Denn im Gegensatz zu Wolfgang Petersens Verfilmung von Die unendliche Geschichte verzichtet Schaaf auf übertriebene Effekte und eine bombastische Inszenierung.
Zusammen mit Michael Ende hat er stattdessen ein Drehbuch
geschrieben, das die Atmosphäre des Romans in schlichte Bilder zu
fassen versucht und sich mehr auf die Glaubwürdigkeit der
Charaktere konzentriert. Das dem Thema angemessene gemächliche
Erzähltempo lässt hierbei den Schauspielern viel Raum zur
Entfaltung. Mit der kulleräugigen Radost Bokel ist die Rolle der
Momo überzeugend besetzt, wobei Schaaf ihr mit Mario Adorf als
Nicola, Armin Mueller-Stahl als Chef der "grauen Herren" und John
Huston als Meister Hora auch ein gut harmonierendes Starensemble zur
Seite stellt. Und auch wenn der Film gelegentlich etwas ins Kitschige
abzurutschen droht, so ist Johannes Schaaf mit Momo dennoch die
bislang einfühlsamste Ende-Verfilmung gelungen, bei der man nicht
das Gefühl hat, dass einem die Zeit gestohlen wird. --Harald
Stucke